Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

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DieJuli
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von DieJuli »

Zuerst fände ich wichtig, der Sache auf den Grund zu gehen, warum sein Zustand sich so rapide verschlechtert... und warum stürzt er ständig? Stolperfallen? Schwindel? Sehschwäche?
Die kurzzeitpflege sollte er antreten - allerdings mit dem wissen, das er wieder nachhause darf, dann lässt er sich vielleicht darauf ein? Vorausgesetzt natürlich, er darf das wirklich. Und dann zuhause könnte man über Tagespflege bzw. anfangs Tagesklinik gehen... und während der KZP muss das Pflegepersonal auf Station hinterher sein, dem Kunden einzutrichtern, wie er sich bei Sturz, Einkoten etc zu verhalten hat.

Gruß,
by Juli



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johannes
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von johannes »

In Deutschland ist es schon in Ordnung, wenn jemand verwahrlost. Das ist sein gutes Recht. In Deutschland ist es nicht in Ordnung, wenn jemand den Wunsch hat, einen Menschen vor Verwahrlosung zu schützen. Das sind eben die Auswirkungen, wenn man etwas auf den Kopf stellt.

Selbstbestimmung kann sehr wohl zum Selbstläufer werden. Wir dürfen nicht vergessen, wir leben in einer aufgeklärten Zeit, in der jeder Einzelne selbst bestimmen darf, was mit ihm geschieht. Was für mich Unsinn ist, ist für viele heute ein Fall für den § 1 GG.

Da war in einem ambulanten Dienst eine Kundin, die sich immer wieder nackt ausgezogen hat, bis zum blau werden auf dem Fußboden rumlag in ihren eigenen Ausscheidungen - und keiner hat was unternommen. Der Arzt stand dumm rum, die Polizei stand dumm rum, die Feuerwehr stand dumm rum, der Mann vom Ordnungsamt stand dumm rum, selbst die vom Gesundheitsamt standen dumm rum. Die Krankenschwester wollte was tun, durfte aber nicht. Tja, auch Dummheit hat in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft ihre Berechtigung.

Warum will er nicht in ein Pflegeheim, wo er wie ein Mensch versorgt wird? Richtig, sein Vermögen steht im Wege, die öffentliche Meinung, daß man in Pflegeheimen mißhandelt und vernachlässigt wird steht im Wege, "lieber tot als ins Heim" wird ja kolportiert. Kotzt euch nicht auch manchmal das scheinheilige Getue von Selbstbestimmung an? Mich schon lange.

Wie schreibt Heike?
Er hat einen Notrufknopf, den er aber nicht benutzen möchte
die einzige Verwandte (zu der auch noch ein schlechtes Verhältnis besteht) sich nun um einen Kurzzeitpflegeplatz in einem nahegelegenen Alten-/Pflegeheim gekümmert hat. Der Mann weigert sich aber strikt dorthin zu gehen.
Wir haben es also mit einem Menschen zu tun, der seinen eigenen Weg gehen will und Hilfe in den verschiedensten Formen ablehnt. Wie kann ein Mensch
Bis auf wenige Phasen völlig klar und zurechnungsfähig.
sein, der seine wahre Situation verkennt?
und dann kommt der Hammer
Oder sogar wegen Eigengefährdung (Verwahrlosung, Gefahr durch die Stürze,...) ihn zum Pflegeheim zwingen?
Ich denke, hier hat die moderne Gesellschaft komplett versagt. Sich selbst überschätzt. Da wird ein Mensch, dem das Wohlergehen eines anderen Menschen am Herzen liegt, allein gelassen mit seinen Sorgen, indem sich die Gesellschaft hinter Gesetzen und vermeintlichen Rechten versteckt. Wundert dann der schlechte Ruf von Hilfeeinrichtungen wie Pflegeheimen?

Die legale Hauswirtschaftskraft würde doch die Zubereitung des Essens mit übernehmen, das Putzen ebenfalls, oder etwa nicht? Wieso dann zusätzlich? Auch hier ist wieder die Frage zu stellen, warum das Existenzrecht von helfenden Menschen in Frage gestellt wird, indem man ihnen sagt, sie seien zu teuer. Niemand würde selbst auf die Idee kommen, für n Appel und n Ei zu arbeiten, weil er nämlich selbst Verpflichtungen hat, denen er nachkommen muß. Aber von anderen erwartet das unsere Gesellschaft. Die Umstehenden und jene, die für die notwendige Hilfe eben ihr Vermögen einsetzen müßten.

Es geht also doch wieder um s Geld, das man nicht loslassen will. Klar daß sich das Vermögen mit der Zeit aufbraucht, wenn man es für sein Leben ausgibt. Aber wer will das schon? Da bleibt als Konsequenz eben manchmal nur die Verwahrlosung! So bitter das für jene ist, die hilflos dabei zusehen müssen.

Es hat mal jemand gesagt:

Zur Verbesserung der Situation von Menschen brauchen wir keine neuen Programme und Subventionen, wir brauchen neue Herzen.

Ich denke, da ist was dran über das sich nachzudenken lohnt.



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Halllo Heike,

ich würde dir empfehlen, eine soziale Beratung hinzuzuziehen, die kann dich beraten, welche Möglichkeiten in eurer Umgebung habt.

Da er scheinbar nicht immer orientiert ist, würde ich ebenfalls vorschlagen, eine Betreuung zu beantragen beim Vormundschaftsgericht.

Da er die Kurzzeitpflege so kategorisch ablehnt, glaube ich nicht, dass er eine Tagespflege akzeptieren würde. Die Tagespflege kostet unterschiedlich, das kannst du ebenfalls bei der Sozialen Betreuung nachfragen.

Die Adresse dieser Beratung findest du im Amtsblättchen der jeweiligen Gemeinde.

Sophie



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johannes
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von johannes »

Tagespflege liegt im Raum Heidelberg bei

Pflegestufe 1 in der Größenordnung € 1.650
Pflegestufe 2 in der Größenordnung € 1.950 und
Pflegestufe 3 in der Größenordnung € 2.400

im Monat.

Die Pflegekasse übernimmt hiervon in der Pflegestufe 1 nur € 420
ob das bei den anderen Pflegestufen gestaffelt ist, entzieht sich meiner Kenntnis.



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Hallo

auch für die Tagespflege kann man Kombi-Leistungen beantragen. Aber da der Pflegedienst ja schon ins Haus kommt, denke ich dass von dem Pflegegeld sowieso nicht viel über bleibt.

sophie



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doedl
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von doedl »

Hallo Heike

grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht in den eigenen 4 Wänden zu leben; ob das nun sinnig oder unsinnig ist, ist ein anderes Thema.

Zur Finanzierung der notwendigen häuslichen Pflege gibt es die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf "Hilfe zur Pflege" zu stellen; natürlich wird die finanzielle Situation des Antragstellers genau geprüft; hat er Anspruch auf die Leistungen, so kann er Hilfe durch den Pflegedienst / Tagespflege im notwendigen Umfang ordern. Die Leistungen der Pflegekasse für die Tagespflege wurden seit 1. 7. 2008 um das 1,5 fache erhöht.

Gruß Doedl


Wir müssen die Änderung sein, die wir in der Welt sehen wollen- Mahatma Gandhi

Frau_L
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von Frau_L »

... Morgens und abends kommt ein Pflegedienst zum waschen, er bekommt "Essen auf Rädern" und fast jeden Tag kommt ein Nachbar vorbei - Er hat einen Notrufknopf...
Welche Möglichkeiten bestehen, damit er nicht vollends verwahrlost?
Insofern die Möglichkeit besteht, würde ich versuchen die Einsätze des Pflegedienstes zu erhöhen und falls der Pflegedienst vor Ort nicht schon darauf spezialisiert sein sollte, einen psychiatrischen Pflegedienst einschalten!
Ansonsten gilt: das Recht auf Selbstbestimmung, auch wenn es den eigenen Vorstellungen eines menschenwürdigen Daseins nicht gerecht wird.

Was mir dazu noch einfällt .... Biografiearbeit!



Ray
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AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von Ray »

Hallo,

wirklih schwieriges Thema, wenn überspitzt gesagt, Menschen nicht mit klar kommen, wie andere Menschen leben wollen. Wenn sie denn so leben wollen.

Ich glaube der Unterschied ist, ob sie bewusst so leben wollen oder ob sie eben eigentlich nicht so leben wollen aber aus irgendwelchen gründen jede Hilfe verweigern, bzw. aufgrund Desorientiertheit ihre Lage/ Situation nicht richig einschätzen können.

Im Fall des bewußten so leben wollens, wäre es wohl moralisch richtig ihn so leben zu lassen, eben wegen der Selbstbestimmung.

Ansonsten bliebe tatsächlich noch herauszufinden, warum er keine Hilfe annimmt, z.B. aus Angst vor einer Pflegeeinrichtung, wie sie bei älteren Mitmenschen berechtigt herrrscht, oder weshalb? Vielleicht kann man da was machen durch Gspräche, soziale Beratung u.s.w.

Wenn die Situation nun so ist, daß er seine Lage nicht mehr einschätzen kann wird man um einen Antrag beim Vormundsschaftsgericht für eine Betreuung nicht herumkommen.

So ist das eben nunmal... in Deutschland.. ob es gut so ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen...

GRuß Ray



andrea
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Registriert: Di 16. Jul 2002, 19:15

AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von andrea »

Hallo
als ich den Beitrag las mußte ich spontan an einen alten Mann denken. Er lebte seit dem Tod seiner Frau mehr auf der Straße als in seiner Wohnung. Die Wohnungstür war immer auf, wohl damit, wenn ihm was pasieren würde, die Nachbarn es merken würden.
Erst als ein junger Student in das Haus zog änderte sich die Situation für den alten Mann. Er brachte ihm essen,half ihm beim Rasieren oder motivierte ihn zum Waschen,versuchte die Wohnung zu entmüllen, nahm Kontakt zur Krankenkasse und später zu unserem Pflegedienst auf.- Der bestellte Betreuer arbeitete mit dem jungen Mann eng zusammen, wir als Pflegedienst sprachen auch meist mit ihm, wenn es um die Bedürfnisse des alten Mannes ging. Durch die viele Zeit die der junge Mann mit dem alten Mann verbracht hatte war ein kleines Vertrauensverhältnis bei den beiden entstanden.
Eigentlich sollten wir für die Körperpflege und die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten zuständig sein. In der ersten Zeit war der alte Mann sehr abweisend, er bräuchte uns nicht, der "Junge" würde schon alles tun. Der alte Mann trank schon zum Frühstück Rotwein aus der Tasse und fiehl über das Frühstück welches wir ihm mitbrachten her, so dass jedem der das sah, wußte wie aufgehungert dieser stolze alte Mensch sein mußte.
Die Wohnung war nach und nach wieder bewohnbar und sauber, der alte Mann sah weiterhin so aus wie vorher und roch dementsprechend. Er benötigte viel Zeit um Vertrauen zu gewinnen, irgendwann war es dann möglich, er war endlich einverstanden zu duschen.- Er war dabei genauso unsicher wie ich, als ich ihm die langen Haare wusch, fühlte ich recht dicke Wülste auf der Kopfhaut- wie sich dann herausstellte, 2 dicke Narben wo die Fäden seit Jahren nicht herausgezogen waren.
Tja wenn ich nun schreiben könnte, fortan war es möglich ihn zu waschen oder zum Waschen anzuleiten, wäre das gelogen, wir mußten weiterhin sehr viel Feingefühl u. Geduld haben, um ihn dazu zu bewegen zumindest den Intimbereich zu waschen oder sich umzuziehen. Dieser Mann ging aufgrund des Studenten und des Pflegedienstes irgendwann freiwillig ins Krankenhaus, um den Grund seines chronischen Durchfalls zu erfahren. Hier war einfach nur die Zeit wichtig, um ihm ein Gefühl von Vertrauen zu geben.
Ich denke auch in deinem Fall wäre vorerst vielleicht die ambulante gerontopsychiatrische Pflege angebracht, auch dieser Mann muß ersteinmal Vertrauen entwickeln, sich ersteinmal an den Gedanken, von Hilfe annehmen gewöhnen müssen.- Viele alte Menschen sind vereinsamt, waren lange ohne engen Kontakt zu anderen Menschen und müssen sich folglich ersteinmal daran gewöhnen. Laßt ihm ein wenig Zeit, vielleicht könnt ihr Nachbarn, Ehrenamtliche usw. organisieren die ihn regelmäßig besuchen, die ihm auch klarmachen können, dass er sich bei ihnen melden soll wenn er Hilfe benötigt.
Ich denke es ist gut, dass man niemandem gegen seinen Willen unterstützen darf, allerdings ist es nicht gut, wenn betroffene Menschen nicht weiter denken was vielleicht angenommen wird, wo man ansetzen kann, damit Vertrauen entwickelt werden kann.
Ich habe damals Vieles gelernt, es ist nicht wichtig, dass ein Mensch von jetzt auf gleich täglich körperlich gepflegt erscheint, wichtig ist da zu sein, es immer wieder zu versuchen, ein Mensch zu sein dem Nächstenliebe nicht nur in der Theorie bekannt ist und dringende Bedürfnisse, seitens der zu Pflegenden, an erster Stelle zu sehen.Beziehung dort aufbauen wo sie gebraucht wird, auch wenn das bedeutet das ein Mensch nur sehr langsam aus seiner Verwahrlosung herauskommt.
Ein Zwang für eine Heimeinweisung würde wohl noch mehr Vertrauen zerstören.
Gruß andrea
Zuletzt geändert von andrea am Di 31. Mär 2009, 13:06, insgesamt 1-mal geändert.



siri
Beiträge: 159
Registriert: So 23. Mär 2008, 01:49

AW: Gegen den Willen ins Pflegeheim - Alternativen?

Beitrag von siri »

Hallo Andrea,

sehr schön was du geschrieben hast,bin ganz deiner Meinung.Wir selber können auch später mal in so einer Situation kommen.

Grüße Siri



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